Sonntag, 20. März 2011

Emotionale Endzeitstimmung und ein Ausweg

(c) The Intelligence
Geigerzähler sind nahezu ausverkauft, die Nachfrage nach Jodtabletten lässt die Aktienkurse der Pharmaindustrie in ungeahnte Höhen steigen. Wertvolle Sendezeit wird mit der Beantwortung der Frage vergeudet, wie man sich im Falle des Super-GAU vor der Haustür vor todbringender Verstrahlung schützen kann. Offen bleibt, wie sinnvoll die Flucht in den Schutzbunker sein kann, abgeschnitten von der notwendigen medizinischen Versorgung unserer Alltagszivilisationskrankheiten und angesichts der Ungewissheit, wie groß das letzte Restchen Fluchterde sein wird, dass noch nicht kontaminiert ist.
Welche Kämpfe dort entbrennen werden, um den knappen Schatz an geretteten Lebensmitteln, möge sich jeder selbst ausmalen. Oder auch nicht. Denn selbst wenn die Versorgung mit Nahrungsmitteln gesichert wäre – wir hätten keine Zeit mehr, sie zu uns zu nehmen, wir wären schon längst verdurstet. Trinkwassergewinnung aus Meerwasser ist bereits möglich, Wiederaufbereitungsanlagen filtern Bakterien und Schmutzstoffe aus verdreckten Brühen, es gibt aber keinerlei Möglichkeit, radioaktive Stoffe auszufiltern. Gäbe es auch nur erste Erfolge in dieser Richtung, die AKW-Betreiber hätten jetzt darüber berichtet. Ganz ehrlich: Bevor ich im Falle dieses Endzeitszenarios die Restlaufzeit meines Lebens mit Hilfe eines Eigenschweiß- und Urinkreislaufes qualvoll um wenige Stunden verlängere, gönne ich mir einen letzten Tropfen meiner Wahl, nach Möglichkeit im Kreise meiner Liebsten, um mich dann in der Hoffnung auf ein schnelles Ende der vollen Strahlendröhnung hinzugeben.
Findigen Geschäftemachern empfehle ich, entsprechende Tabellen mit der Auswirkung der Strahlung gerade auf sehr junge, sich noch im Wachstum befindliche, Körper neben die begehrten Geigerzähler zu hängen, kostenpflichtig natürlich, es lohnt sich derzeit jeder Cent an der spekulierfreudigen Börse.
Soweit sind wir aber noch lange nicht – und jeder lähmende Endzeitgedanke hält uns ab vom sachlich orientierten, verantwortungsvollen Handeln im Hier und Heute, um diese Horrorvision so unwahrscheinlich wie möglich zu machen. Nicht zu vergessen die (Kriegs-) Schauplätze, die schon vor Fukushima unsere ungeteilte Aufmerksamkeit nötig hatten.
Wählen ist eine Möglichkeit, die wir haben – bleiben noch 364 Tage im Jahr, an denen wir informieren und aufmerksam machen können - und Information hinsichtlich Gefahren aber auch der möglichen Alternativen tut Not, nicht nur auf ein Gespräch bezogen, dass ich in der Bahn mit verfolgen konnte: Es ging darum, ob man die bereits vor längerer Zeit erworbene Fischkonserve noch strahlenunbedenklich verzehren könne.
Was also können wir tun, wir als Privatpersonen und Steuerzahler, außer Mahnwachen und der Aussendung mehr oder weniger emotionaler Tweets und Posts an Personen, die ohnehin schon ähnlich empfinden und bereits selbst wach und handelnwollend durchs Leben gehen. Wie können wir selbstgefällige Lobbyisten davon abhalten, Schadensersatzforderungen für mögliche Gewinneinbußen vom Steuerzahler einzufordern, das Kostenexplosionsgespenst als einzigen Tag an den Horizont der Rettungsmöglichkeiten für unseren Planeten zu sprayen und so weiterzumachen wie bisher? Wie können wir Politiker unterstützen, die ähnlich denken wie wir?
Mir als juristischer Dilettantin kommt dabei die Möglichkeit zivilrechtlicher Klagen gegen Jeden in den Sinn, der Unregelmäßigkeiten vertuscht und Prüfungsergebnisse zu Lasten der Sicherheit der Allgemeinheit fälscht. Der Dioxinskandal, oder z.B. der Skandal um verunreinigte Blutkonserven zeigt auf, dass sich dies nicht nur auf die bekanntgewordenen Pannen in unseren AKWs beschränken kann. Die zuständigen Behörden allein können oder wollen zu wenig ausrichten. Wenn ich mich bei Stichproben auf die Ergebnisse firmeneigener Labors verlasse, ist dies ähnlich lächerlich, wie bekennende Atomlobbyisten an der Spitze von AKW-Überprüfungskommissionen.
Es ist aber nicht zum Lachen: Der Fall Asse legt dar, dass wir trotz gefälschter Gutachten und Angaben, über die tatsächlich angefallene Müllmenge, für die Folgen zahlen müssen - warum eigentlich? Die Gefährdung unser aller Gesundheit wurde zumindest billigend und mit krimineller Energie in Kauf genommen, wir wurden betrogen, Vereinbarungen wurden nicht eingehalten. Sollten entsprechende Klagen mit Schadensersatzforderungen möglich sein, bitte ich die Juristen und Experten unter den Lesern, uns allen diese Möglichkeiten aufzuzeigen. Auch die der Dienstaufsichtsbeschwerde gegenüber Behörden, die diese Spielchen durch Nichthandeln decken bzw. überhaupt erst möglich machten. An Gewissen allein kann man nur appellieren, wo dieses vorhanden ist.
Ich möchte noch einen weiteren Einblick in die Gedankenwelt dieser Dilettantin geben: Angesichts hinter verschlossener Türen vereinbarter und bewusst geheim gehaltener Zusatzvereinbarungen mit den Energielieferanten, die uns Wählern die Abwahlmöglichkeit der AKW-Laufzeitverlängerung von vorne herein genommen haben, stelle ich die Rechtswirksamkeit solchermaßen geschlossener Verträge in Frage – muten sie doch sittenwidrig an.
Wir haben viel zu tun, nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa – wir sollten unsere Trägheit ablegen und den Mund aufmachen, so lange, bis uns ein hoffentlich natürlicher Tod am Ende eines langen Lebens von dieser Aufgabe entbindet.

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